91 Tage geht es schon um das Glück und wie man es erreichen könnte. Das direkte Gegenteil – nicht die Abstinenz von Enthusiasmus, sondern das Gewicht der Verzweiflung – wurde bisher jedoch noch komplett außer Acht gelassen. Kurz vor dem Abschluss des Experiments ist es an der Zeit, sich eine vermeintliche Volkskrankheit genauer anzusehen: Depression.
Das klingt zunächst gefühlt gar nicht so schlimm, ist die Depression doch gesellschaftlich relativ präsent und als „normal“ akzeptiert. Doch diese Krankheit ist eben mehr als „mal ein wenig depri“ zu sein. Jeder fünfte Bundesbürger erkrankt ein Mal im Leben daran, laut Information der deutschen Depressionshilfe. Und dies kann schlimm enden: Weiter wird berichtet, dass ein Großteil der 10.000 Suizide und ca. 150.000 Suizidversuche auf eine Depression zurückgehen.
Kurt Cobain, Robert Enke, Robin Williams… Depressionen und ihre fatalen Folgen kommen immer mehr ins Rampenlicht
Das Problem hat sich seit 2003 verdoppelt, die Krankschreibungen sind um 25% gestiegen, 15% der Krankheitstage gehen auf psychische Probleme zurück und dauern im Schnitt 40 bis 58 Tage. Der Dachverband der Betriebskrankenkassen fügt der Nennung dieser Zahlen jedoch hinzu: Heute gibt es nicht mehr Menschen mit psychischen Krankheiten – früher seien die Symptome eventuell einfach falsch analysiert und körperlichen Leiden zugesprochen worden. Prof. Frank Jacobi von der Psychologischen Hochschule Berlin weist darauf hin, dass es heute hingegen im Gegenzug eine Überdiagnostizierung geben könne.
Die „neue Akzeptanz“ des Problems psychischer Störungen kann hierzu beigetragen haben. Was früher ein Tabu war, ist heute schon fast normal – zum Teil mit fatalen Folgen. Denn durch die schwierige Einschätzung des geistigen Zustandes der Patienten können Depressionen leicht vorgetäuscht werden, um für willkommene Krankschreibungen und so für freie Tage zu sorgen, so eine landläufige Meinung.
Der Unterschied zwischen schlechter Laune, einem Burn-out oder einer handfesten Depression muss Außenstehenden und dem Arbeitgeber nicht zwangsläufig bewusst sein – einem selbst aber schon. Nicht jeder Tag wird happy sein, Verdrossenheit und auch Erschöpfung sind jedoch normal. Sollte diese aber auch nach einer gezielten Auszeit oder Urlaub nicht verschwinden, ist Vorsicht angesagt, meint Iris Hauth, die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN).
Ist es seelische Grausamkeit, einen Depressiven aus seiner Melancholie zu reißen und ihn mit einem Schwall an Glück und Freude zu überfallen? (Nicole Caterina Steiner)
Oft werden kecke Kommentare gemacht, die statt einer „echten“ Depression nur ein Stimmungstief vermuten. Während eine negative Stimmung mit oder ohne Gründe auftreten kann, so ist ihre Dauer auch begrenzt. Beispielsweise eine Trennung ist ein Grund für einen emotionalen Tiefpunkt – mit dem wachsenden Abstand vom Ex-Partner vergeht diese Negativität in der Regel wieder.
Das Burn-out ist schon eine Stufe gefährlicher: Ist man diesem zu lange ausgesetzt, kann es einen guten Nährboden für eine Depression bieten. Oft betroffen sind Menschen mit sehr hohen Ansprüchen und einem starken Erfolgsdrang, welche durch ständige Erreichbarkeit und ungedrosselten Einsatz ihre Kraftreserven aufbrauchen und dadurch emotional anfällig werden. Besagter Urlaub oder feste Stundenpläne können hier helfen.
Hört der Zustand der Müdigkeit und Trostlosigkeit jedoch nicht mehr auf, ist kompetente Hilfe von Nöten. Dies ist oftmals ein Teufelskreis, da der Betroffene keine Kraft aufbringen kann, einen Therapeuten aufzusuchen – von dem er sich in seinem Stadium sowieso keine Verbesserung der Situation erwartet. Daher wird in Deutschland fleißig geworben – die Deutsche Depressionshilfe unter Schirmherr Harald Schmidt („Fünf Millionen Depressive in Deutschland – das kann nicht nur am Fernsehprogramm liegen!“… wenn er sich da mal nicht irrt!) schaltet Spots und ruft dazu auf, gegen die Krankheit anzukämpfen. Um den Menschen zu helfen – und weil die Gefahr besteht, dass – so die WHO – bis 2020 Depressionen oder affektive Störungen weltweit die zweithäufigste Volkskrankheit sein werden. Bei 1,5 Milliarden Euro verursachten Kosten (wegen depressionsbedingter Frühberentungen) jährlich ist es kein Geheimnis, dass auch der Finanzfaktor eine Rolle spielt.
Wenn es aber noch nicht so weit ist – wie kann man vorbeugen?
Die Antwort ist vermutlich, sich selbst gut um sich zu kümmern. Somit kann bereits ein Burn-out und so eine besondere Gefährdung vermieden werden. Aber auch wenn es nicht Stress oder Hektik ist: Wer genau hinsieht und erkennt, wo die Ursprünge für seine Probleme liegen, für den ist es noch nicht zu spät, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Denn vielleicht ist es keine Depression, die vor einem liegt, sondern einfach nur ein ganz konkretes Problem, welches es zu lösen gilt.
Wichtig ist auch der Austausch mit Verwandten und Freunden. Manchmal steht oft das eigene Selbstbild oder Stolz im Weg, um sich selbst einzugestehen, welche Probleme es wirklich zu lösen gibt oder ob ein Konflikt vorhanden sein könnte, der das eigene Selbstschutzsystem übersteigt. Eine andere Person, sollte sie emotional noch so involviert sein, wird nicht von denselben Faktoren beeinflusst werden und kann so konstruktive Anregungen bringen. Je größer die emotionale Distanz ist, desto neutraler können diese Anmerkungen unter Umständen sein. Natürlich hängt es von jedem individuell ab, mit wem er seine Gefühle teilen möchte.
Glücklicherweise gibt es laut Deutscher Depressionshilfe durchaus gute Behandlungsmöglichkeiten – es gilt nur, diese auch wahrzunehmen. So muss man nur rezeptiv sein, um frühzeitig zu erkennen, ob man selbst oder jemand im näheren Umfeld diese eventuell nutzen sollte. Niemand hat gesagt, dass der Weg zum Glück einfach wäre – aber selbst Hindernisse wie diese bedeuten nicht, dass man nicht an seinem Ziel ankommt…
Bild: Deannachka
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