Mein letzter Beitrag wurde durch eine Studie inspiriert, welche die Wertschätzung der Deutschen für verschiedene Lebensbereiche darlegte. Der zweitplatzierte – Arbeit – musste sich nur einem Punkt geschlagen geben: Familie und Partnerschaft. Doch während ich diesen Aspekt ursprünglich für den aktuellen Artikel vorgesehen hatte, hat mich Instagram eines Besseren belehrt: Vier von sieben Fotos der letzten sieben Tage sind mit dem Hashtag #freunde oder #friends betitelt, während die Highlights der weiteren drei Tage ebenfalls in Begleitung von Freunden stattfanden (und nur sträflich beim Markieren übersehen wurden). Es war eine tolle Woche, wenn ich die bildliche Beweislast betrachte; vor allem dank guter Begleitung.

„Ein bisschen Freundschaft ist mir mehr wert als die Bewunderung der ganzen Welt,“ wusste schon Otto von Bismarck. Nun hatte er jedoch vermutlich noch ein anderes Bild von Freundschaft. Im Zeitalter der Globalisierung und der sozialen Medien stellt sich natürlich zuerst die Frage nach der Definition. Wikipedia, der Brockhaus der Gegenwart, tut dies folgendermaßen: Freundschaft ist ein auf gegenseitiger Zuneigung beruhendes Verhältnis von Menschen zueinander, das sich durch Sympathie und Vertrauen auszeichnet.

Ich bin wohl nicht der Einzige, der auf Facebook viele Freunde entdeckt, welche teilweise nicht mal eines dieser Kriterien erfüllen. Sind sie also nicht meine Freunde? Und wo sind Freunde angesiedelt, mit denen man auch hin und wieder mal schläft, die aber definitiv nicht in die Beziehungskategorie passen? Zeitgleich stellen mir viele Leute Menschen als ihre „Freunde“ vor, die eigentlich anderweitig verpartnerte Affären, Expartner oder einfach Bekannte sind. Diese gibt es natürlich in verschiedenen Ausführungen: Bekannte mit welchen man ausschließlich tanzt, ausschließlich ins Fitnesscenter geht, ausschließlich kulturelle Unternehmungen unternimmt etc. Wo ist also genau die Grenze zwischen Freund und Nicht-Freund – und ab wann wirken sie sich positiv auf das eigene Glücksgefühl aus?

 

Der personifizierte Plan B

Aus eigener Erfahrung ist jeder Glücksmoment seit Beginn des Experiments zumindest mit einem guten Freund oder einer guten Freundin verknüpft. Gemeinsame Interessen oder Sinn für Humor sind die beste Grundlage für viel Spaß. Wenn keiner der Umstehenden mitlacht, dann hat man in einem Freund wenigstens einen Verbündeten. Der personifizierte Plan B ist sozusagen immer dabei – man weiß, was man hat. Die weitere Zusammensetzung bei Unternehmungen mit einer Gruppe kann mehrere gute Freunde enthalten, ist aber nicht zwingend notwendig.

Natürlich ist dies nur eine Beobachtung, keine Regel. Ein Rückblick auf die letzten Jahre lässt einige Erinnerungen aufleben, in welchen es keiner besonders engen Bindung bedurfte: gegenseitige Sympathie reicht vollkommen aus für einen gelungenen Abend oder Ausflug. Für spontane, verrückte Erlebnisse ist dies eventuell sogar von Vorteil. Nicht selten kann hiermit sogar ein Grundstein für das Kennenlernen einer weiteren oder gleich mehrerer Personen gelegt werden.

Verschiedene Studien belegen positive Auswirkungen von Freundschaften auf die Gesundheit: Abbau von Stress, stärkeres Selbstwertgefühl, Vorbeugung vor psychischen Krankheiten wie Depression. Hierbei geht es natürlich nicht um sogenannte „Schön-Wetter-Freundschaften“, eine sehr bildliche Beschreibung für Freunde, welche nur in guten Momenten in der Nähe sind.

Es geht eben nicht darum, viele Freunde zu haben, sondern gute.
(Jun.-Prof. Cornelia Wrzus)

Beistand in schlechten Zeiten stärkt das Band zwischen Menschen, schafft Vertrauen – was sich wiederum positiv auf das gemeinsame Erleben von heiteren, positiven Momenten auswirkt. Hier kann ungezwungen und ehrlich geteilt werden, ohne beeindrucken zu müssen. Man hat sich schließlich schon in schlimmeren Situationen gesehen. Diese Qualität kann man meist nicht unzählig oft kultivieren und erhalten.

Die drei wohl größten Vorzüge guter Freundschaften lassen sich wie folgt definieren:

 

Akzeptanz:

Ein echter Freund ist jemand, der dich nicht verändern will,
weil er dich genauso mag, wie du bist.

Akzeptanz ist ein wunderbarer Punkt in guten Freundschaften. Das Umarmen der kompletten Persönlichkeit des Anderen, ohne sich nur auf gute Seiten zu beziehen, während die schlechten ausgespart werden. Auch wenn nicht alle gleich gefallen, sie werden als Teil des Pakets wissentlich in Kauf genommen. Änderungen werden nicht erzwungen; jedoch wird gerne Hilfestellung geleistet, wenn diese vom anderen selbst gewünscht wird. Ebenso können offen Kritik und Vorschläge geäußert werden, ohne einen Angriff darzustellen. Hieraus entstehen konstruktive Gespräche, Analysen aus verschiedenen Blickwinkeln. Diese werden dem Freund oder der Freundin in bester Intention verabreicht, darüber hinaus maßgeschneidert auf seine bzw. ihre Persönlichkeit und aktuellen Lebensumstände – welcher externe Berater könnte diese Leistung in einer bezahlbaren Zeit erbringen?

 

Sicherheit:

Wahre Freundschaft bedeutet nicht Unzertrennlichkeit,
sondern getrennt sein zu können, ohne dass sich etwas ändert.

Das bietet die Basis für Beziehungen, die auf Sicherheit beruhen und um die nicht gekämpft werden muss. Die der Definition entsprechende gegenseitige Zuneigung ist ausgeglichen und fundiert in einem aufrichtigen Interesse an der Persönlichkeit des anderen, so wie er ist. Ist diese Verbindung tief und fest genug, so wird sie nicht durch äußerliche Umstände bedroht. Im Laufe unseres Leben schließen wir immer weniger Freundschaften (Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel), daher sind alte, beständige Bündnisse so wichtig. Jedem sei so ein Freund zu wünschen, der einem auch nach langer Zeit der Trennung wieder genauso begegnet, als hätte man ihn erst gestern gesehen.

 

Beständigkeit:

Partner kommen und gehen aber
beste Freunde bleiben für immer.

Diese Beständigkeit ist natürlich nicht automatisch gewährleistet. Freundschaften können ebenso zerbrechen wie Beziehungen. Wissenschaftlich betrachtet heißt das: Einschneidende Erlebnisse wie Umzug, Scheidung, Jobwechsel, aber auch vermeintlich Positives wie Hochzeit oder Elternschaft können Freundschaften bedrohen oder negativ beeinflussen. Diese Ereignisse verursachen oftmals geografische Distanz oder einen Wechsel des persönlichen Umfeldes. Beständige Freundschaften können solche überstehen, wenn selbst bei quantitativ abnehmender gemeinsamer Zeit das qualitative Level erhalten bleibt. Gleichbleibender Austausch von Freud und Leid mit vollem Vertrauen ist die Verjüngungskur für jede Beziehung. Dank moderner Technologie können weite Entfernungen und Zeitunterschiede überwunden werden, wenn sich beide Parteien darum bemühen und zumindest mit einer für beide akzeptablen Frequenz kommunizieren.

 

So wertvoll wie Nichtrauchen und gesunde Lebensführung

Freundschaften sind – wie Partnerschaften – also auch ein wenig Arbeit. Wer reichlich ernten will, muss eben auch regelmäßig gießen und düngen. Dass sich das lohnt bekräftigen folgende Erkenntnisse, veröffentlicht im Artikel „Social Relationships and Mortality Risk: A Meta-analytic Review“ von Julianne Holt-Lunstad, Timothy B. Smith, J. Bradley Layton (in Deutschland zitiert von spiegel.de):

  • Einsamkeit ist genauso schädlich wie der Konsum von 15 Zigaretten am Tag
  • Einsamkeit schadet genauso viel wie Alkoholmissbrauch
  • Einsamkeit ist schädlicher als keinen Sport zu treiben
  • Einsamkeit ist doppelt so schädlich wie Fettsucht

Im Zeitalter der unglaublichen Nähe durch mediale Vernetzung mit seinen Freunden ist Vereinsamung tatsächlich ein Thema, welches solche Studien anregt (siehe dazu mein Artikel über die vermeintliche Schaffung von Distanz in sozialen Netzwerken).

Was lehrt uns also 100 Happy Days mithilfe der täglichen Fotoaktion, die zu diesen Gedanken inspiriert hat? Dass vegetarisches Kochen, Serienabende, Kinobesuche, Sushi-Zubereitung, Weihnachtseinkäufe mit Selbstbeschenkung oder Wermut-Trinken am Sonntag alleine ziemlich langweilig wäre. Ganz zu schweigen von einer Wiederzusammenkunft von Freunden, die ohne Freunde wohl ziemlich schwierig wäre. Passenderweise war dies auch noch eine Zusammenkunft von Freunden, welche trotz der genannten Gefahrenfaktoren – Umzug in ein anderes Land, Partnerwechsel und Jobwechsel – gleich dreimal betroffen war.

Dies erinnert mich daran, dass es da noch ein paar Leute gibt, bei denen ich mich lange nicht mehr gemeldet habe. Vielleicht sollte ich das heute noch tun. Es ist ein schöner Gedankenanstoß, aber es erfüllt mich auch mit Erleichterung, dass ich mir nicht ernsthaft Sorgen machen muss: Jedes Mal, wenn wir sprechen, ist es schließlich, als hätten wir uns erst gestern gehört….

 

Bild: Alexander Frühbrodt

 

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Written by Alexander Frühbrodt

Alexander Frühbrodt arbeitete nach seinem Medienstudium für internationale Filmproduktionen. Der Marketingbeauftragte von seinsart schreibt als freier Autor über kulturelle und gesellschaftliche Themen.

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