Die gesundheitsbewussten Einwohner von New York, Los Angeles oder San Francisco verlieren kein Wort mehr darüber, so alltäglich ist für sie das „Glück im Bauch“ geworden. Ihre Zauberformel heißt Clean Eating. Was in den Küchen unserer Großmütter noch ganz selbstverständlich war, wird nicht nur im Mekka des Junkfoods, sondern inzwischen auch auf allen Social Media Plattformen als neuer heißer Trend gefeiert.

Frisch und gesund essen, Fertiggerichte und industriell verarbeitete Lebensmittel meiden. So lautet die Kernidee der neuen Vollwertküche. Das bedeutet vor allem, den Kochlöffel wieder in die Hand zu nehmen und alles selbst herzustellen.

In erster Linie geht es aber darum den Körper dauerhafter mit wertvollen Vitalstoffen zu versorgen. Denn nur diese schenken unglaubliche Power, bringen mehr Spaß und Energie ins Leben und machen einfach glücklich. Streng verboten sind dagegen Zucker, schlechte Fette oder Fertigprodukte. Wer sie dennoch isst, wird garantiert traurig und energielos und sollte es sich besser gleich mit seinem Schweinehund auf der Couch gemütlich machen.

 

Wo ist Clean Eating fürs Gehirn?

Viel interessanter scheint in diesem Zusammenhang die Frage, wieso wir zwar stets das Optimale für unseren Körper wollen, aber gleichzeitig unsere mentale Gesundheit vernachlässigen. Wirft man einen Blick hinter die Gesundheitsfassade stellt man ganz schnell fest, das niemand eine spezielle „Gehirn-Diät“ fordert, die mentales Junkfood grundsätzlich vom täglichen Speiseplan streicht.

Im Gegenteil: Wir konsumieren immer mehr Information, Kommunikation und Medien. Sieben Tage in der Woche, vierundzwanzig Stunden am Tag. Meistens einseitig, maßlos und unkontrolliert. Welche Konsequenzen das für uns hat und welche gesundheitlichen und persönlichen Reibungsverluste hierdurch entstehen, ist uns häufig nicht bewusst.

 

Akute Gefahr für die mentale Gesundheit

Einer der Gründe dafür mag sicher in der Tatsache liegen, dass der Mensch in seinen Entscheidungen nicht generell vernünftig handelt, sondern beschränkt ist. Er ist nicht in der Lage, optimale, sondern lediglich eine für ihn angemessene Entscheidung zu treffen. Aus Zeitmangel, Informationsmangel, Unfähigkeit oder anderen Gründen ist ein vollständig rationales Verhalten nicht möglich. Zu diesem Ergebnis ist zumindest der amerikanische Sozialwissenschaftler Herbert Simon schon vor Jahrzehnten in seinem eingeführten Konzept über die begrenzte Rationalität gekommen.

Wüssten wir also um unsere rationale Unfähigkeit, würden wir uns viel öfter fragen, ob das, was wir unserem Kopf täglich an medialer Nahrung, aber auch an Personen und Meinungen zumuten, wirklich gut für uns ist. Viele Menschen achten zwar streng darauf, niemals in einen Hamburger zu beißen, hören aber allen möglichen Meinungen und Ansichten zu obwohl ihnen danach erstmal tagelang übel ist. Viele reden von Stress am Arbeitsplatz, obwohl sie sich nach Feierabend zu Hause mit der gleiche Tätigkeit weiter belasten. In der gleichen schädigenden Haltung für den Rücken, die Augen und das Gehirn.

Alles von allen zu wissen. Wir sind zwar sozial vernetzt,
aber dadurch nicht tatsächlich angebunden.  (Deanna Zankt)

Unbestritten hat sich das Verhalten jedes Menschen durch die digitalen Medien stark gewandelt. So ist es in der vernetzten Gesellschaft auch ganz selbstverständlich geworden, sich in sozialen Medien zu treffen anstatt persönliche Kontakte zu pflegen. Aus Angst vor ernsthaften medialen Informationslücken verbringen viele Jugendliche und Erwachsene mehr Zeit auf Facebook, Whats App oder Instagram als mit ihren Freunden oder der Familie. Wir profitieren zwar grundsätzlich von der Vielfalt der digitalen Kommunikationsmöglichkeiten in unserer Lebens- und Arbeitswelt, verkennen aber auch leichtfertig die negativen Auswirkungen, die durch die wachsende Schnelllebigkeit und Menge von Informationen für die Gesundheit entstehen.

„Die Generation der Fitness-Jünger nimmt das Thema der mentalen Gesundheit nicht ernst genug“, warnt die Journalistin Astrid von Fries. Das Problem sei eine grenzenlose Nutzung der neuen Medien, die nicht nur krank sondern auch süchtig machen könne. Während man also einem chronisch Übergewichtigen zu einer strengen Diät raten würde, fragt sich keiner ernsthaft ob die ständigen Kopfschmerzen oder Konzentrationsstörungen möglicherweise auf den übermäßigen Genuss von mentalem Junk Food zurückzuführen sind.

 

Wir sind sozial vernetzt, aber nicht tatsächlich angebunden

Seit einiger Zeit beleuchten auch schon zahlreiche Studien, wie sich die intensive Nutzung sozialer Plattformen auf die Psyche und letztlich auch auf unsere Gesundheit auswirkt. Denn das kuschelige Aufgehobensein in einer virtuellen Gemeinschaft, das sich die sozialen Netzwerke auf die Fahnen schreiben, trifft jedenfalls nicht automatisch auf alle zu. Das Gegenteil ist der Fall, weil es sich lediglich um eine vermeintliche Kommunikation handelt, bei der man glaubt

„Alles von allen zu wissen. Wir sind zwar sozial vernetzt, aber dadurch nicht tatsächlich angebunden, “ sagt die Medienentwicklerin Deanna Zandt. Die derzeitig digitale Kultur mache schleichend einsam, weil sie keinen Freiraum für Echtheit, Verbindungen oder Verletzlichkeit ließe. Auch Professor Heuser, Psychiaterin an der Berliner Charité ist der Ansicht, dass die „ständige Erreichbarkeit und das übermäßige Nutzen der sozialen Plattformen zu einer kognitiven Überlastung (communication overload) führt.“ Sind wir permanent einer solchen Anforderung ausgesetzt, kommt es häufig zu Dauerstress und Gesundheitsproblemen.“

 

Der Mensch ist rational beschränkt

Es ist also außerordentlich wichtig zu erkennen, wie schwer es dem Menschen fällt seine ungesunden Gewohnheiten zu ändern. „Je größer die Auswahl und je komplexer die Entscheidungsprozesse, desto eher neigt der Mensch dazu sich einfacher Muster zu bedienen, um das Entscheidungsproblem zu lösen, “ schreibt Prof. Miriam Meckel in ihrem Buch über das Glück der Unerreichbarkeit.

Die Folge ist, dass viele täglich immer noch stundenlang vor dem Fernseher sitzen und sich von Kanal zu Kanal zappen obwohl Fernsehen nach einer Studie von Prof. Herbert Krugman als „Gehirnwäsche“ fungiert und sogar die Kraft einer „Massenhypnose“ hat. Gleichzeitig bewegen wir uns in zweifelhaften Foren und stressen uns freiwillig auf Instagram oder Blogs. Wir verbringen zu viel Zeit mit Menschen, die uns nicht wertschätzen, sehen uns schlechte Kinofilme an und laden uns dabei mit jeder Menge Spannung und Drama auf. All das ist schädlicher als jede Tafel Schokolade und ändert nichts an der Tatsache, dass übermäßiges unkontrolliertes Verhalten dazu neigt, den Konsum zu konditionieren und somit eine erhebliche gesundheitliche Gefahr darstellt.

Wären wir also vernünftig, würden wir uns öfter daran erinnern, dass wir bestimmt in kein verdorbenes Stück Fleisch beißen würden, nur weil wir gerade Hunger haben. Wir wären anspruchsvoll und würden aus der Vielfalt des Angebots nur das beste Superfood auswählen. Alles Einseitige, Maßlose und Unkontrollierte wäre für unser geschundenes und überreiztes Hirn verboten. Das Beste wäre gerade gut genug.

Nicht nur das „Glück im Bauch“ sondern auch das „Glück im Kopf“ wäre für uns zur Selbstverständlichkeit geworden.

 

Weiter zu Teil 2: Die Hölle sind die anderen?

 

Bild: PublicDomainPictures

Written by Birgitta Wallmann

Birgitta Wallmann ist selbstständige Rechtsanwältin und Journalistin. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften und Betriebswirschaftslehre in Mainz rief sie das Schreiben, weshalb sie sich bis 2014 an der Freien Journalistenschule Berlin ausbilden ließ.

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