Die Würde des Menschen ist unantastbar. Diese Formulierung ist keine Floskel. Sie ist nicht allein der erste Artikel in unserem Grundgesetz. Sie benennt eine Tatsache. Dass Menschenwürde unantastbar ist.

Menschenwürde ist durch nichts einzuschränken. Auch nicht durch euch. Am 9. November erschien auf einer NPD-nahen Facebookseite eine Liste mit jüdischen Geschäften, Restaurants, Synagogen und Kindergärten. Kommentiert wurde diese Untat mit den Worten „Was für ein schöner Tag“. (Anmerkung der Redaktion: Wir zeigen diese Liste in der abgewandelten Version des jüdischen Autors Shahak Shapira, der den Spieß umdrehte und mit folgenden Worten kommentierte: „Da ich stets auf der Suche nach neuen Restaurants und Sehenswürdigkeiten bin, begrüße ich diese Aktion und möchte mich bei den Neonazis für die zahlreichen Tipps bedanken.“)

Man muss kein Jude sein | seinsart

Vor genau 78 Jahren hat man Menschen wegen ihrer Religion ermordet. Menschen jüdischen Glaubens wurden getötet, zum Suizid gedrungen. Sie wurden vertrieben und verhaftet. Die Räume, in denen sie zu Gott beteten, wurden zerstört. Im Namen Gottes. Glauben Christen an einen anderen Gott als Juden? Heute hetzt man wieder. Wieder im Namen der christlichen Kultur. Von Menschen, die in Wahrheit keine Religion haben. Ebenso wenig wie Scham und Ehrgefühl.

Da dies von den entsprechenden Stellen nicht unterbunden wird, ist es – fast 80 Jahre nach diesen Pogromen – wieder möglich, solch bösartige Listen zu veröffentlichen, selbst am Jahrestag der Novemberpogrome von 1938. Worauf will man warten? Will man warten bis ein hasserfüllter Mensch wie in Belgien in eine Synagoge oder in einen Kindergarten läuft und Unbeschreibliches tut?

Anstatt in sich zu gehen und all der einzelnen Schicksale dieser Menschen zu gedenken. Statt sich zu schämen. In Demut dieses Wissen zu ertragen, dass Menschen im Stande sind, einander so etwas anzutun, feiern Menschen an diesem Tag. Was feiert Ihr denn? Was gibt es zu feiern? Es kann doch nicht Euer Ernst sein, einen solchen Tag mit Freude zu begehen.

Man muss kein Jude sein | seinsart

Man muss kein Jude sein, um an diesem Tag zu trauern. Man muss auch nicht deutsch sein. Es reicht, dass man ein Mensch ist. Nun frage ich mich: „Was seid Ihr?“ Wenn man diese Liste schon nicht verbieten oder bestrafen kann, aus welchen Gründen auch immer, dann lasst uns laut und deutlich rufen: Deutsche, wehrt Euch! Gegen Judenhass und Hetze, gegen alle, die Scherben und Genicke brechen sehen wollen. Lasst uns die sozialen Netzwerke zurückerobern – auf dass sie diesen Namen wieder verdienen!

 

Bild: Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres

 

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Written by Hammed Khamis

Hammed Khamis wuchs in einer westdeutschen Gastarbeitersiedlung auf. Der Streetworker und Journalist ("Ansichten eines Banditen") setzt sich besonders für die Integration Jugendlicher mit Migrationshintergrund ein.

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