Ich trenne mich, weil ich dich liebe:  Wenn dieser doch sehr paradox klingende Titel auf den ersten Blick keinen Sinn zu ergeben scheint, sind diese Art der Trennungen doch eine der schmerzhaftesten und – Überraschung – der häufigsten. Auch wenn wir denken, dass unsere Trennungen die schlimmsten und noch nie so dagewesen sind, so stimmt das nicht. Und mit mir meine ich, weil ich das bin, Frauen – auch wenn ich Klischees hasse und vielleicht erst einmal mich und meine Freundinnen und Bekannten meine und nicht vielleicht dich, die das gerade liest und zu groß für meine Schubladen ist.

Es war alles schon einmal da und das meiste hat irgendwer von uns schon mal gesehen. Das ist ein wenig so wie die AFD-Wähler vom Dorf: „Die Mutter meiner Kosmetikerin davon die Nachbarin der Mitbewohnerin von Helga und Davon die Großcousine, glaube ich, die wurde auch mal von einem dieser Flüchtlinge angekrabbelt / wurde auch mal von so einem Typen verlassen.“ Am Wahrheitsgehalt ist zu 99,9% nichts dran, aber alle wollen sie mitreden und auch was dazu beitragen, was die ganze Situation immer nur verschlimmert anstatt verbessert, aber hey, so sind die Menschen, wahrscheinlich.

Und dann stehst du da und liebst aus ganzem Herzen und siehst deinen Partner an, der das ebenfalls behauptet, aber: dich belügt. Er belügt dich die ganze Zeit, aber nicht aus böser Absicht, sondern weil er es wirklich für wahr hält. Er denkt, er liebt dich, weil er dich nicht hasst und weil du halt da bist, seit Jahren vielleicht, und du bist ja auch irgendwie wichtig und es ist doch schön, nach Hause zu kommen und da sitzt dann jemand anstatt niemand. Alleine schlafen musst du auch nicht, besonders nicht im November oder Februar, den schrecklichsten Monaten des Jahres, denn wann ist schlafen einsamer als dann, dann, dann?

Trennung trotz Liebe | seinsart

Und wann ist Liebe einsamer als dann, dann, dann, wenn man es alleine tut? Du merkst die Berührungen, die seltener werden, du merkst, wie jemand, der da war, weil ihr zusammen wart, verschwindet, obwohl er neben dir steht, du greifst nach ihm und niemand greift zurück und du wirst immer öfter laut und dann immer öfter leiser, weil laut nicht mehr gehört wird, aber auch die Stille erdrückt dich und dann stehst du auf, irgendwann, und siehst ein, dass du verloren hast.

Wann ist schlafen einsamer als im November oder Februar, wann ist Liebe einsamer als dann, dann, dann, wenn man es alleine tut?

Die Zukunft, die geplant war, dich, ihn, euch, alles, denn leere Hände fühlen sich schlimmer an, wenn vorher noch jemand da war, der sie hielt. Der dich hielt, wenn du weinst, schon wieder, immer noch, zu oft, um euch oder ihn oder dich, weil du kein Zuhause mehr hast, wenn dein Zuhause eine Person war anstatt eine Wohnung. Du stehst auf, von der Couch oder dem Bett oder einfach nur vom Tisch, vor der Tasse Kaffee, die ihr zusammen trinken wolltet, dabei wart ihr gar nicht mehr zusammen, und sagst das, was er nie sagen wollte, weil er vielleicht nicht einmal daran gedacht hat: Dass du gehst, jetzt.

Und es kommt nicht mal ein „Einfach so?“ sondern ein „Dann ist das wohl so“ und dann ist das wohl so und das, was sich so einfach liest, war nie so, denn die Wohnung fing Feuer und auch du und alles brennt, brennt, brennt, einfach so, aber nicht einfach. Und auch, wenn ich kein Klischeemensch bin und auch, wenn Ausnahmen die Regel bestätigen und viele Ausnahmen der Regel sicher das hier lesen werden, behaupte ich, aus eigener Erfahrung, die nicht immer stimmt, aber doch manchmal: Frauen trennen sich öfter als Männer und auch meist, obwohl sie noch lieben.

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Frauen wissen, wann sie nicht mehr geliebt werden. Männer sitzen öfter aus, bleiben sitzen, wenn sie geht, weil es das ist, was sie wollten, aber vielleicht nicht wussten, denn wann, sind wir mal ehrlich, sind Männer schon den Frauen hinterhergerannt, wie im Film, wie in Büchern. Dann, wenn sie lieben, aber wann gehen Frauen schon, wenn sie geliebt werden… Trennungen sind kompliziert, Gefühle an sich auch und die Liebe, die Liebe, wer versteht die Liebe schon. Und wer schafft es schon, sich damit zu befassen und mutig genug zu sein, auszubrechen, wenn es nicht einmal einen Grund gibt, der sichtbar ist?

Wann gehen Frauen schon, wenn sie geliebt werden?

Und wie willst du das erklären, wenn alle denken, man war glücklich und man dann sagt, am Ende: „Er hat mich einfach nicht mehr geliebt“ und irgendwo ein Mann dankbar ausatmet, weil das ausgesprochen wurde, was er sich nie getraut hat zu denken und manche Frauen, „like a Girl“, „like a Boss“, es einfach weitergedacht, zu Ende gedacht und gehandelt haben. Und aufstehen und weggehen und alles brennt und trotzdem: Wir gehen weiter. Bis zum Schluss, auch wenn der Schluss nicht heißt, dass es unser Ende ist.

Nicht umsonst erheben sich die schönsten Dinge aus der Asche.

 

Bilder: Jonesee (Titel); Pexels (Paar am See; Frau im Bett)

 

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Written by Tara Wittwer

Tara ist Wahlberlinerin, Wahlantidiäterin, mag Pizza und Ponies. Sie schreibt gerne zu lange Texte über zu tiefe Gefühle, behauptet aber felsenfest, Vorzeigemisanthrop zu sein. Deswegen schreibt sie sonst auch gerne auf ihrem Fäschnbloooog über Stil und Co.

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