Im Rahmen des Experiments der 100 Happy Days tauchen eine Reihe verschiedenster Aspekte zum Thema Glück auf, die eines genaueren Blickes würdig sind. Denn sowohl das Glück, als auch der Frust ist an viele Faktoren gleichzeitig gebunden. In der ersten Aktionswoche ist beispielsweise ein Foto während der Arbeitszeit entstanden, hatte aber mit der Tätigkeit, dem Büro, den Kollegen nichts zu tun. Im Gegenteil: Der Anlass war der Wechsel einer ehemaligen Kollegin zu einer anderen Firma. Mal wieder.

Welchen Einfluss hat also die Erwerbstätigkeit auf das Gemüt? Und warum kommt bei mir das Gefühl auf, meine Arbeit hätte unter den Highlights der Woche einen Platz finden müssen? Die Antwort ist sehr einfach: Arbeit und Jobs haben in Deutschland eine große Bedeutung. Sie definieren nicht nur erheblich das Bild, welches andere von einem haben –  sondern auch maßgeblich das Selbstbild. Manchmal sogar zu sehr.

Passenderweise ist nur wenige Stunden vor dem Verfassen dieses Textes eine in diesem Zusammenhang interessante neue Studie veröffentlicht worden. Diese brachte hervor, dass ein Großteil der Befragten selbst nach einem Lottogewinn weiterhin arbeiten würde. Dies wiederlegt die Idee, die Ausübung des Berufes wäre in der Regel nur ein Mittel zum Zweck. Ist „Arbeiten, um zu leben – nicht Leben, um zu arbeiten“ also vielleicht ein romantisches Klischee, welches gar nicht (mehr?) auf unsere Gesellschaft zutrifft?

„Sie lieben Arbeit mehr als Geld – nur eines ist den Deutschen noch wichtiger“ titelt der Focus zu dieser Studie, dass nach Familie und Partnerschaft der Beruf der nächste Punkt auf der Prioritätenliste ist – noch weit vor der Freizeit. Und dies nur kurze Zeit nachdem er unter dem schnippischen Titel „Froh zu sein bedarf es einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung“ die Ergebnisse einer weiteren aktuellen Studie veröffentlicht hat: Diese zeigt einen direkten Zusammenhang des Durchschnittsglücks der Bevölkerung mit der Beschäftigungsrate.

 

Arbeit als Statussymbol

Arbeit ist ein wichtige Statussymbol; selbst unzufriedene Arbeitnehmer würden bei einem Lottogewinn den Job wechseln – nicht aber aufhören zu arbeiten!

Eine Nachricht blinkt auf dem Bildschirm auf: Anfangs genannte Kollegin hat gerade auf ihrer privaten Facebook-Seite über ihren neuen Job gepostet. Sie habe gute Arbeit gemacht die ersten Tage, ihre Vorgesetzen hätten dies zu schätzen gewusst und nun sei sie stolz auf sich selbst.

Steht nicht unterschwellig hinter diesen Worten: Jetzt könne sie auf sich stolz sein? Es ist der gemeine logische Zusammenhang, dass mit harter und guter Arbeit automatisch Erfolg und das Recht auf Selbstzufriedenheit gesichert ist. Wenn man ein besonders interessantes Ergebnis der Lotto-Umfrage einbindet, wird der gute Stand der Erwerbstätigkeit noch stärker untermauert: Je höher der Bildungsgrad, desto größer der Wille zu arbeiten.

Arbeit spiegelt also auf der einen oder anderen Ebene eine Vision von Bildung, Erfolg, finanzieller Sicherheit und Zufriedenheit wider. Arbeitslosigkeit hingegen ist verpönt – selbst, wenn sie temporär, ohne eigenes Verschulden oder nicht einmal ökonomisch bedrohlich für den Betroffenen ist.

 

Mehr Freiraum für Hoffnungen

Wo also ist die pragmatische Sicht auf die Arbeit geblieben? Sie muss scheinbar nicht mehr existieren, um den Selbsterhalt zu finanzieren. Und der Zweck, die Gesellschaft am funktionieren zu halten, ist keine wirklich populäre Antwort bei Umfragen zum Grund, warum der Durschnittsbürger einer Beschäftigung nachgeht. Der Grund für den Wandel ist die bereits erwähne Assoziation mit Arbeit. Oder besser: die Vermeidung des Nicht-mit-Arbeit-assoziiert-Seins. Mehrere Studiengänge böten schließlich die besten Voraussetzungen, erfolgreich und vor allem permanent im Arbeitsleben verankert zu sein. Sie sind je nach Bundesland frei oder für die Mehrheit erschwinglich; wer die Zugangsprüfungen nicht erfüllt ist einfach nicht fleißig genug. Nicht gut genug. Faul.

Gleichzeitig ist der Pragmatismus einem Romantizismus gewichen, der üppig genährt und ausufernd analysiert wird. Arbeit muss jetzt Spaß machen. Sie ist in der Regel frei gewählt, nicht gefährlich und – dem technologischen Fortschritt sei Dank – wesentlich komfortabler, als sie es je war. Mit der Entfernung der negativen Assoziationen ist mehr Freiraum für Hoffnungen, ja Erwartungen geschaffen worden. Abgesehen vom Gehalt muss der Beruf dem Ausübenden entsprechen, seine Interessen bedienen, seine Begabungen nutzen, seine Persönlichkeit wiederspiegeln. Denn wenn er sich nicht selbst nach seinem Job beurteilt – jemand anders wird es an seiner Stelle tun.

Somit ist das nächste Luxusproblem geschaffen, welches bisher in solcher Form nicht zu finden war: Liebe ich meinen Job? Wer dies als Übertreibung abtut, muss nur einen Blick in einige Zeitschriften am nächsten Kiosk werfen. Hier wird wahlweise beschrieben, wie Sie den perfekten Beruf bekommen – oder wie Sie es schaffen zu akzeptieren, dass der Job nicht alles ist. Denn nach und nach tritt Müdigkeit ein, ja Resignation. Wozu das ständige Suche nach der Erfüllung bei der Arbeit? Dies nimmt zu viel Energie, die man in die Erfüllung in der Freizeit stecken könnte. Ach ja, die ist ja auf der Wichtigkeitsskala eine Stufe darunter…

 

Gute Gesellschaft macht glücklich

Und dennoch: Statistisch betrachtet ist die Mehrheit „eher zufrieden“ mit ihrem Job. Sind es diejenigen, die sich mit ihrem Beruf abgefunden haben? Oder diejenigen, die ihren Traumjob ergattert haben? Eine weitere Frage ist die Definition dieser „Zufriedenheit“: Bei drohender Arbeitslosigkeit ist ein fester Job wohl stets zufriedenstellend. Im Angesicht der eigenen Erwartungen an diesen ist die Zufriedenheit letztendlich meistens relativ.

Vielleicht gilt es nur, die Erwartungen etwas herunterzuschrauben. Nicht: Ambitionen aufgeben, sich nicht hängen lassen oder seinen Verpflichtungen nicht nachkommen. Sondern bedenken, dass der beste Teil des Tages vermutlich nach dem Büro kommt…

Im Rückblick auf die zweite Woche gab es sogar ein arbeitsbezogenes Foto – ja, das fühlt sich schon gut an. Die meisten Fotos hingegen haben einen Bezug zu Familie (inklusive Freunden) und Partnerschaft. Das ist nicht nur statistisch sehr wichtig, sondern gute Gesellschaft macht tatsächlich glücklich. Ich sollte mir hierüber bis nächste Woche mal ein paar Gedanken machen. Doch jetzt erst mal ins Bett – morgen muss ich ja wieder früh in die Arbeit.

 

Bild: Alexander Frühbrodt

 

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Written by Alexander Frühbrodt

Alexander Frühbrodt arbeitete nach seinem Medienstudium für internationale Filmproduktionen. Der Marketingbeauftragte von seinsart schreibt als freier Autor über kulturelle und gesellschaftliche Themen.

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