Happy Birthday! Heute wird Frank Elstner 75 Jahre alt. Gerhard Haase-Hindenberg spricht mit dem Erfinder von „Wetten dass..?“ über den Niedergang der Sprachkultur im deutschen TV und den Traumberuf „Fernsehmoderator“.

 

Dem deutschen Fernsehen wird vielfach der Vorwurf gemacht, seiner Vorbildfunktion für die Pflege der Sprache nicht mehr gerecht zu werden…

Ganz abgesehen davon, dass dieser Vorwurf häufig von Leuten gemacht wird, die nicht wissen, wie man aus dem Fernsehprogramm richtig aussucht, hat das Fernsehen in manchen großen Sendungen tatsächlich den Fehler gemacht, diese Verantwortung zu wenig zu tragen. Es stimmt natürlich, wenn man Mehrheiten binden will, dann muss man auch Mehrheiten neugierig machen und dazu muss man sich bestimmter Mechanismen bedienen, die diesen Mehrheiten gefallen. Würde man sich parallel dazu Gedanken machen, wie man das auch sprachlich noch mitverantworten kann, dann hätten Regisseure heute einen größeren Einfluss. Das größte Manko von Live-Sendungen im Fernsehen ist, dass es keine Regisseure gibt, die sich dafür interessieren, was gesagt wird, sondern ausschließlich dafür, wie sich das in Bilder umsetzen lässt.

War das irgendwann mal anders?

In meinen Anfängerjahren habe ich mal einen Regisseur erlebt, der mir sagte, wie ich einen Satz besser formulieren könnte. Der Mann hieß Günther Hassert und war später ein großer Opernregisseur. Bei einer meiner ersten Sendungen von „Spiel ohne Grenzen“ nahm er mich zur Seite und sagte: „Sie sprechen zu schnell und Sie müssen Pausen einsetzen. Außerdem wirken Sie absolut perfekt, das ist nicht gut. Denken Sie daran, dass die Menschen, die Ihnen zugucken, keineswegs perfekt sind. Machen Sie lieber mal einen Fehler und entschuldigen Sie sich nicht, wenn Sie sich versprechen. Und lächeln Sie über sich.“ Solche Regisseure waren auch damals selten, aber heute findet man sie gar nicht mehr. Sie sagen höchstens, dass man rechts an der Kamera vorbeigucken soll oder ähnliches. Wenn aber die eigenen Leute schon nicht mehr zuhören, wie soll man dann ein Gefühl dafür bekommen, was für den Zuschauer draußen von Wichtigkeit ist?

Teilen Sie die Ansicht, dass die unsäglichen Streitereien in den nachmittäglichen TV-Talks nicht nur zu einer Trivialisierung von Sprache beitragen, sondern geradezu zum Niedergang von Kommunikationskultur?

Diese Nachmittagssendungen sind ja einer ganz bestimmten Klientel zuzuordnen, deren Sprache schon kaputt ist. Das Schlimmste an diesen Sendungen ist, dass sie am Nachmittag abgeschafft werden und plötzlich im Abendprogramm stattfinden. Ich habe unlängst eine Sendung gesehen, die hieß „Schwiegertochter gesucht“. Ich habe in meinem Leben noch nie so viel Makulatur innerhalb einer Sendung ausgestrahlt gesehen. Aber es gibt offenbar nicht wenige Menschen, die sich das ansehen, denn sie haben ja eine hohe Einschaltquote. Das tut mir weh und ich weiß auch gar nicht, was man dagegen unternehmen soll. Ich fürchte, dass sich eine Art von Fäkaliensprache immer mehr breit macht, und dass sich nicht etwa der Tiefgang reproduziert, sondern die Flachheit – mit der Tendenz nach oben.

Sie werden in den Medien oft als „Urgestein“ der Fernsehunterhaltung bezeichnet. Das klingt nicht zu Unrecht nach Erfahrung. Was würden Sie einem jungen Menschen raten, der heute den Berufswunsch „Fernseh-Moderator“ äußert?

Wenn mein Sohn hätte Fußballer werden wollen, dann hätte ich ihm das nicht ausgeredet, wenn ich das Gefühl gehabt hätte, er sei glücklich, wenn er Fußball spielt. Aber ich hätte ihm mit Sicherheit gesagt, dass nur ganz wenige ein Beckenbauer werden. Und in meinem Beruf ist es ganz genauso. Es wird immer nur einige wenige Protagonisten geben, die die Nerven haben, sich durchzusetzen und die Begabung haben, vor anderen stehen zu können. Aber heute hat jedes zweite Dorf eine eigene Eventagentur und es wird Zehntausenden von jungen Leuten vorgegaukelt, sie hätten eine Berufschance in den Medien.

Trotzdem werden ja auch in Zukunft TV-Moderatoren gebraucht. Welche konkreten Erwartungen sollte man an einen Bewerber für diesen Beruf stellen?

Ich erkenne Begabungen darin, dass ich jemandem gerne zuhöre oder ihn gerne anschaue. Wenn jemand merkt, dass man ihm nicht gerne zuhört oder, dass es ihm nur selten gelingt, Aufmerksamkeit zu erregen und sei es auch nur durch äußerliche Vorzüge, dann sollte er sich fünfmal überlegen, ob er in einen öffentlichen Beruf gehen möchte. Heutzutage, so sagt man mir ständig, braucht man Abitur und ein anständiges Studium, darüber hinaus eine gewisse Disziplin und ein Normalmaß an Leben, weil die Konkurrenz gerade unter den Fernsehmoderatoren unglaublich groß geworden ist. Mein Geschäftspartner Dr. Heinrich Walther sagte mal, dass ich mit meiner Ausbildung heute nicht über das Vorzimmer eines Personalchefs kommen würde, denn ich bin ja durchs Abi gefallen. Deshalb bin ich eigentlich der völlig falsche Mensch, um darauf eine gute Antwort zu geben.

Ihre Erfahrung dürfte Sie schon dazu qualifizieren, ein Anforderungsprofil für den Beruf zu erstellen, den Sie seit vier Jahrzehnten ausüben…

Na schön, also: Man muss begabt sein und die eigene Begabung spüren, man muss auch neugierig und unglaublich fleißig sein. Vor allem sollte man keinerlei Hang zum Selbstmitleid haben. Schlechte Kritiken dürfen einen überhaupt nicht berühren, sondern im Gegenteil anspornen. Heute braucht man als jemand, der im Fernsehen arbeitet, mehr Eigenschaften eines kühlen Managers denn eines warmherzigen Künstlers.

Ist nicht auch ein gewisses Maß an Exhibitionismus notwendig?

Ich kann mir vorstellen, wenn man sie alle untersucht, dass hinterher eine solche Aussage herauskommt. Es hat nur mit mir gar nichts zu tun!

Wenn Sie sich junge Moderatoren beispielsweise auf den diversen Jugendkanälen ansehen, stimmt Sie das eher hoffnungsfroh oder pessimistisch?

Pessimistisch eigentlich nicht, weil gerade die ganz jungen Moderatoren zum Teil so begabt sind und noch so ungeformt und natürlich. Aber wenn ich dann beobachte, wie sie in die erwachseneren Formate hineinerzogen werden und ich mir die Coachs ansehe, die ihnen beibringen, wie sie zu stehen und zu gehen haben und dann am Ende dieser Ausbildung feststelle, dass sie fast alle gleich aussehen, dieselben Wörter benutzen und die Texte mit unsäglichen Betonungen vom Teleprompter ablesen, dann erfüllt mich das mit Sorge. Ich fühle mich dann immer an ein eigenes Zitat erinnert: „Die Kreativität der Kinder beginnt abgetötet zu werden mit dem ersten Schultag!“

 

Bild: Hubert Burda Media

 

Mehr #TV auf seinsart:

„Treffen sich ein Jude und ein Moslem…“  |  Im Gespräch mit Aykut Kayacık


Endlich in Trance  |  Die Deutschen eint die Flimmerleidenschaft

Written by Gerhard Haase-Hindenberg

Gerhard Haase-Hindenberg ist Schauspieler ("Operation Walküre") und Publizist (»Die Hexe von Gushiegu«, »Der Mann, der die Mauer öffnete«, »Göttin auf Zeit«). Sein neues Buch »Sex ist Kopf« wurde über Nacht zum Bestseller und stand wochenlang in der Spiegel-Bestseller-Liste.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.