Wir befinden uns 10 km von der syrischen Grenze entfernt. Eine informelle Zeltsiedlung liegt vollkommen schutzlos inmitten der kargen Landschaft. Etwa 100 Menschen leben hier, unter ihnen viele Kinder. Sie sind Beduinen und haben es im Flüchtlingscamp nicht ausgehalten. Ihr Drang nach Freiheit und Selbstbestimmtheit war größer, also haben sie ihre eigene, kleine Zeltsiedlung gegründet. Hinter einigen großen Häusern stehen diese Zelte, sie sehen in dieser Gegend unwirklich aus.
Kinder spielen auf dem steinigen Boden und obwohl die Sonne scheint, macht der unangenehme Wind mir Sorgen: Der Winter naht und es gibt kein fließendes Wasser, keinen Strom. Die Zelte sind zwar schon befestigt, aber selbst jetzt tragen die Kinder noch offene Schuhe. Was wird in drei oder vier Wochen sein, wenn die Temperaturen fallen?
Wir gehen zwischen den Zelten umher, die von außen alle gleich aussehen. Dort besuchen wir zwei Zelte, vor denen ein Dutzend Kinderschuhe aufgereiht sind. Als wir hineingehen, wird es plötzlich bunt und laut. Kinder sitzen auf dem Boden, knien vor bunten Plastikhockern, ihren Arbeitstischen, und gucken uns neugierig an. Wir sind in einem der „Schulzelte“ – hier werden Jungen und Mädchen gemeinsam unterrichtet. In den Schulzelten lernen die Kinder lesen, schreiben und rechnen. Unterrichtet werden sie von Save the Children Mitarbeitern, die ebenfalls aus Syrien stammen. Sie können die Erfahrungen, die die Kinder machen mussten, nachvollziehen, zu ihnen haben die Kinder Vertrauen. Obwohl das Zelt nur spartanisch eingerichtet ist, herrscht hier eine gelöste, freundliche und offene Atmosphäre. Es ist ein lebensfroher Ort in der ganzen Ödnis.
Zu sehen, wie der Unterricht und die Betreuung den Kindern helfen, ein Stückchen Normalität und Kindheit wieder zu erlangen, macht mir Freude und Hoffnung. Wenn ich die Kinder ansehe, will ich gar nicht daran denken, was sie schon alles erleben mussten. Flucht, Vertreibung, Gewalt, vielleicht den Tod eines nahen Angehörigen. Und nun sind sie hier, weil sie keine Heimat mehr haben, nicht mehr spielen oder zur Schule gehen können. Doch man merkt den Kindern an, dass sie ihre Hoffnung nicht verloren haben. Ohne diese improvisierte Schule hätten die Kinder keine Aussicht auf Bildung oder eine Zukunft. Dabei sind sie es, die die Zukunft Syriens sind: Sie sind die Generation, die das Land wieder aufbauen muss. Wenn ich wieder in Deutschland sein werde, werde ich mich oft an diese Begegnung erinnern.
Im Zelt haben wir mit den Kindern gesprochen. Sie haben uns von ihren Plänen und Träumen für ihre Zukunft erzählt: Sie wollen Lehrer, Krankenschwester oder Arzt werden. Sie wollen anderen Menschen helfen. Und sie haben so viel Hoffnung, dass diese Pläne in Erfüllung gehen. Nun liegt es an uns, die Kinder dabei zu unterstützen, dass sie diese Träume verwirklichen können. Wir dürfen diese Kinder nicht alleine lassen.
Wenn Sie Kathrin Wieland und Save the Children bei ihrem Engagement für die syrischen Flüchtlingskinder unterstützen wollen, können Sie dies hier tun.