Aladin, ein 16-jähriger unbegleiteter minderjähriger Flüchtling aus Syrien, ist angekommen in Deutschland. Bei seinem Namen fällt einem gleich das Märchen „Aladin und die Wunderlampe“ aus 1001 Nacht ein. Doch Aladin hatte während seiner Flucht aus Syrien keine Wunderlampe dabei, in der wie im Märchen ein Dschinn steckt, der die Wünsche des Lampenbesitzers erfüllen muss. Dann wäre vieles einfacher gewesen.
Aladin ist ein lebenslustiger und zugleich ehrgeiziger Junge, mit vielen Wünschen und Träumen. Im Unterricht hat Aladin zum Thema Martin Luther King und seine berühmteste Rede I Have a Dream, die er am 28. August 1963 anlässlich des Marsches für Arbeit und Freiheit in Washington, D.C. gehalten hat, folgendes notiert:
My dream is a world without fear of any terrorist acts and not seperates anyone from his family and his loved ones. My dream is a world based on justice and honesty without a difference between men and women, ethnic, religion or skin colour.
Ich bin sehr stolz darauf, Aladin durch meinen Arbeitgeber betreuen zu können. Wenn meine Arbeit mit ihm endet, verlieren wir uns bestimmt nicht aus den Augen, denn er ist mir ans Herz gewachsen. Aladin würde sagen: „Inschallah“ und deswegen erzähle ich seine Geschichte.
Aladin größter Wunsch ist es, hier in Deutschland Abitur zu machen, zu studieren und natürlich wieder mit seinen Eltern und seinen Geschwistern zusammenzuleben.
Aladin ist ein kurdischer Syrer. Die Kurden sind Syriens größte ethnische Minderheit. Die meisten von ihnen bekennen sich zum sunnitischen Islam; wieder andere gehören zu den Jesiden. Vielen Kurden wurden 1962 die syrische Staatsangehörigkeit entzogen. Sie wurden so zu Staatenlosen, zu Ausländern im eigenen Land. Zusammen mit seiner Familie ist Aladin aus Syrien in den Irak geflüchtet, bevor er zum Asylsuchenden in Deutschland wurde. Seine Familie hat alles verkauft, damit ihr ältester Sohn eine Chance im Leben bekommt. Seine fünf Geschwister und seine Eltern hat er seit dem letzten Jahr nicht mehr gesehen. Das ist das Schwerste für ihn.
Aladin war schon immer ein guter Schüler, aber als die Revolution in Syrien begann, wohnte er in Raqqa, wo sein Vater in einer Geflügelfarm arbeitete. Damals besuchte er die 7. Klasse. Zu dieser Zeit wurde aus der anfänglichen Revolution ein Bürgerkrieg und es wurde zunehmend gefährlicher. Jeder konnte jederzeit ohne Grund getötet werden. Bald wurde es Aladin unmöglich, weiter zur Schule zu gehen, auch sein Vater konnte nicht mehr arbeiten. In Syrien weiterzuleben schien der Familie zunehmend unmöglich.
Also beschloss die Familie, in den kurdischen Norden des Irak zu fliehen. Sie hatten die Hoffnung, dass das Leben dort besser würde. Insgesamt fünf Monate waren sie dort in einem Flüchtlingsheim untergebracht. Danach durfte der Vater endlich wieder eine Arbeit aufnehmen und die ganze Familie konnte in eine eigene Unterkunft umziehen. Am Anfang des Schuljahres konnten Aladin und seine Geschwister wieder zur Schule gehen. Das größte Problem dabei war, dass sie weder kurdisch sprechen noch schreiben konnten, obwohl sie Kurden sind. In Syrien hatten sie kein Recht dazu, kurdisch zu lernen und mussten eine arabische Schule besuchen.
In der autonomen Region Kurdistan ging Aladin bis zur neunten Klasse zur Schule. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten mit der Sprache wurde er durch seinen Fleiß erneut zum besten Schüler seiner Altersstufe.
Dann aber fielen die Terroristen des IS in seinen Wohnort ein – und erneut wurde es Aladin und seiner Familie unmöglich, in Sicherheit zu leben. Der Vater verlor seine Arbeit, die Schule wurde geschlossen und die Familie hatte erneut kein Dach über dem Kopf. Es blieb nur noch der Rückweg nach Syrien, wo zwischenzeitlich Aladins Tante und Onkel gestorben waren. Seine Großeltern aber waren noch am Leben und nun ein Zufluchtsort für die rastlose Familie.
In den kurdischen Städten Syriens zu leben, war angesichts des Terrors des IS zum kleineren Sicherheitsproblem geworden. Doch nur zwei Monate später lieferten sich kurdische Milizen, die syrische Armee und der IS auch in Aladins neuer alter Heimat heftige Kämpfe. Da Aladin für sein Alter schon ziemlich groß ist, wollten ihn alle drei Parteien als Kämpfer anwerben. Er traute sich nicht mehr aus dem Haus, konnte die Schule nicht mehr besuchen, denn er hatte Angst vor allem und jedem. Aladins Vater nahm alles Geld, das er auftreiben konnte, und ermöglichte Aladin die Flucht.
Mit 16 Jahren war Aladin ganz auf sich allein gestellt.
Bilder: Aladin