„Er hat mich einfach nicht mehr glücklich gemacht“ gehört zu der Kategorie Sätze, die ich zu oft in meinem Leben gehört habe, und nervt mich fast so sehr wie „Dieser Schokoladenkuchen hat 3000 Kalorien“. Aber zurück zum Anfang: Wieso Partner nicht die Pflicht haben, einander glücklich zu machen.

Oktober 2016. Eine Freundin schreibt mir eine Whatsapp-Nachricht, die ich erst nicht ernst nehmen kann, weil ich sie schon zu oft gelesen habe: „Ich glaube, ich trenne mich von ihm. Er macht mich nicht mehr glücklich.“

Und ja, sie hat es getan, nach sieben Jahren Beziehung und mindestens einmal im Monat „Ich weiß auch nicht, ob ich das noch will“ hat sie sich dagegen entschieden, obwohl sie wahrscheinlich noch immer nicht genau weiß, ob sie das will oder nicht oder doch und überhaupt, seit wann sind Entscheidungen so schwer geworden?

 

Generation Y hat viel verlernt

Ich habe das Gefühl, meine Generation ist so eine Art Selbstexperiment, von dem jeder weiß, der in meiner Zeit geboren wurde, aber keiner redet darüber und die wenigen, die es anscheinend verpasst haben, werden es auch niemals erfahren. Es ist wie eine Art unausgesprochener aber existenter Pakt, den ich nicht kenne, aber immer öfter bei meinen Freunden, Bekannten und Bekanntenbekannten beobachte: Wie kann man am wenigsten Verantwortung für das spaßigste Leben überhaupt übernehmen?

Dadurch, dass wir mittlerweile alle ohne nennenswerte Probleme wie Krieg, akutes Hungerleiden oder Mauer-mitten-im-Land aufgewachsen sind und uns schon im Kindergarten das „Du kannst alles sein und alles schaffen“ Mantra eingeprügelt wurde, haben sehr viele Menschen verlernt, was es eigentlich heißt, Verantwortung zu übernehmen. Das fängt schon bei Kleinigkeiten an, wie die Frage danach, wer die Milch in der WG kauft – und nach zwei Wochen ist noch immer keine da, weil jeder dachte, „der andere macht das schon“.

Wie kann man am wenigsten Verantwortung für das spaßigste Leben überhaupt übernehmen?

Und so sind wir alle nur noch Freelancer, aber bitte mit überdurchschnittlich gut bezahlten Aufträgen, denn wir sind alle schrecklich einzigartig mit unseren genormten Sneakers, Designertaschen und Michael-Kors-Uhren, während wir mittags im Starbucks am MacBook sitzen und hochkonzentriert unseren Doppel-Espresso-Soja-Latte trinken. „Wir sind es uns wert“, und „es“ heißt in diesem Falle „alles“, denn: Man gönnt sich ja sonst auch alles!

Wir können und wollen alles haben, was Spaß macht, denn das ist unser Leitmotiv. Arbeit muss Spaß machen, sonst ist es der falsche Job, Beziehungen müssen Spaß machen, sonst ist es der falsche Partner und wenn dir dein Leben generell nicht nur Spaß macht, dann wanderst du eben aus, ist ja auch kein Problem.

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Es wird erst zu einem Problem, wenn all die vergnügungssüchtigen und freiheitsliebenden Menschen abends alleine im Zimmer in Berlin-Mitte sitzen und aus dem Fenster gucken mit einer Flasche Club Mate, und sich vielleicht mal fragen, wie es den Großeltern geht, die schon so lange zusammen sind und irgendwie immer für einen da.

Wenn dir dein Leben generell nicht nur Spaß macht, dann wanderst du eben aus, ist ja auch kein Problem.

Die Diagnose lautet: „Das war eben eine andere Zeit““ Das stimmt, aber nicht die Menschen waren anders, sondern die Werte. Wir wollen, dass unsere Beziehung Spaß macht, und genau deswegen führen wir keine mehr – denn Spaß machen Beziehungen in den seltensten Fällen. In den ersten 18 Monaten sind wir berauscht von Endorphinen, die wir uns sonst nur beim dreitägigen Feiern im Berghain reinknallen, und denken, „Das ist er!“, doch eigentlich ist niemand „ES“, wenn wir ihn nicht dazu machen. Manche Dinge sind nicht dazu gemacht, „einfach einfach zu sein“, denn zwischenmenschliche Beziehungen verbunden mit tiefen Gefühlen sind das Komplizierteste, was man sich vorstellen kann.

Und genau das ist das Problem dabei, denn alle denken von sich, sie sind besser als ihr Gegenüber. Auf diesem Glaubenssatz basieren inzwischen Freundschaften wie auch Beziehungen. Ich höre immer den gleichen Satz von jungen Mädchen „Er hat dich nicht verdient, du bist besser als er!“ und frage mich dann, worin sie besser ist, wenn sie doch gerade erst 20 ist und noch nicht viel geleistet hat, außer in der Schule und in der Uni und vor Facebook zu sitzen.

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Diese Befeuerung durch ständige Motivationssprüche versperren uns die Sicht auf das Essentielle, wie zum Beispiel: sich selbst in Frage zu stellen, anstatt den Partner, die Freundin, und wenn es sein muss auch die ganze Welt. „Ich gegen den Rest der Welt“ wurde Mainstream und anstatt es „just zu doen“ rennen alle weg, dem Sixpack entgegen, weil niemand mehr einen Partner hat, mit dem man samstagabends auf der Couch liegen und Pizza essen kann. Wir wollen immer schöner, erfolgreicher und besser sein, doch niemand weiß, wofür.

 

Warum dein Partner dich nicht glücklich machen muss

Wir denken die ganze Zeit, dass die Welt uns was schuldet, weil wir einzigartig und sehr, sehr wichtig sind. Und unser Partner gehört dazu – er soll uns glücklich machen und uns Dinge kaufen, die uns noch glücklicher machen und uns gerecht werden. „Weil wir es uns wert sind.“
Aber der Partner muss erstmal gar nichts. Eine Beziehung ist etwas, was das Leben noch schöner machen soll. Und glücklichER, aber nicht glücklich. Kein Mensch hat die Pflicht, jemandem etwas zu geben, was er selbst nicht schaffen kann.

Wenn man unzufrieden mit der Gesamtsituation ist – ein Dauerzustand – dann sucht man sich erst einmal jemanden, der daran Schuld sein kann – außer man selbst. Und dann gucken wir auf unseren Partner, der nichtsahnend und vor allem unschuldig neben uns auf der Couch sitzt und aus uns platzt ein „Früher war aber mehr Romantik“ / Du interessierst dich gar nicht für mich! / Du gibst dir ja gar keine Mühe, mich glücklich zu machen!“ heraus. Das große Problem dabei ist, dass wir das selbst glauben: Dass der Partner in irgendeiner Weise irgendetwas tun muss.

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Aber Liebe ist keine Bringschuld. Liebe ist Geben, aber nicht nehmen wollen. Liebe ist so schön, weil sie selbstlos ist. Wir lesen Utopie in Büchern und fordern sie in der Realität ein – nicht nur, weil wir es schön finden, sondern weil wir mittlerweile der Meinung sind, dass uns genau das zusteht. Jemanden, der uns vergöttert, während wir selbst nur vergöttert werden wollen. Wir wollen passive Bewunderung und wenn wir diese nicht erhalten, suchen wir uns eben denjenigen, der sie uns entgegenbringt. Für die nächsten zwei Jahre.

Liebe ist keine Bringschuld.
Liebe ist Geben, aber nicht nehmen wollen.

Wir springen von Vorstellung der großen Liebe zu Vorstellung der großen Liebe, bis wir irgendwann zu alt zum Springen sind und auf all die Chancen zurückblicken müssen, die wir gekonnt ignoriert haben. Wir wollen zu viel und geben zu wenig, wir sind selbst unser größtes Projekt und haben keine Zeit mehr, auf andere einzugehen und nach ihren Bedürfnissen zu fragen. Und selbst wenn wir sie kennen würden, wir hätten neben unseren eigenen einfach keine Zeit dafür.

Ein Satz, der mich noch glücklicher machen würde, als dass Schokoladenkuchen eben doch keine 3000 Kalorien hat, wäre anstatt „Er hat mich nicht mehr glücklich gemacht.“ eine an den Partner gerichtete Frage: „Wie kann ich dich heute glücklich machen?“ Sich ein bisschen mehr auf andere konzentrieren. Nicht nur sich, sondern sich zusammen verwirklichen. Geben macht glücklich.

(Und Schokoladenkuchen).

 

Bilder: Unsplash

 

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Written by Tara Wittwer

Tara ist Wahlberlinerin, Wahlantidiäterin, mag Pizza und Ponies. Sie schreibt gerne zu lange Texte über zu tiefe Gefühle, behauptet aber felsenfest, Vorzeigemisanthrop zu sein. Deswegen schreibt sie sonst auch gerne auf ihrem Fäschnbloooog über Stil und Co.

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