Als ich ihn traf, war ich mir sicher, in einer stabilen Beziehung zu sein. Ich war glücklich, mir fehlte es an nichts und mein Freund war ein Vorbild von Mann. Er interessierte sich absolut nicht für andere Frauen und war überglücklich mit dem, was er hatte: mich.

Und dann traf ich ihn.
Und jedes Lächeln saß.

Ich hätte nicht gedacht, dass mir sowas passieren kann. Eigentlich bin ich immer die, die urteilt – vorschnell. Die, die den Kopf schüttelt – genervt. Die, die kein Verständnis für sowas aufbringen kann – unerfahren?

Aber warum eigentlich nicht? Verliebt sein ist keine Entscheidung. Es kann dich treffen wie eine Gewitterfront, du gehst aus dem Haus in deinem schönsten Kleid, weil die Sonne scheint, scheint, scheint und zack, zwei Minuten später stehst du im Regen und bist klatschnass und überhaupt, wer hat eigentlich diese Liebe erfunden, über die alle reden?

Ja. Verliebt sein ist keine Entscheidung. Es ist aber eine Entscheidung, in wen man verliebt bleibt. Es gibt zwei Arten von Liebe: Die vernünftige. Die gut tut, dich aufbaut, dir Kraft gibt, in die du vertrauen und auf die du bauen kannst. Der, der da ist. Weil er da sein will. Der sich nur für dich interessiert. Du bist die Priorität. Und über diese wird nicht geschrieben. Wer schreibt schon gerne Geschichten, die mit „Alles war gut“ anfangen und enden?

Und dann gibt es noch die alles verzehrende, konsumierende, destruktive Liebe. Die, die dich von innen heraus aushöhlt, während du in Flammen stehst. Und das bist nicht nur du. Denn du bist nur eine Option von vielen. Wenn nicht sogar nur ein Spiel, wie eine Runde Pacman zwischendurch – ping, ping, aufgefressen. Ausgespuckt. Nada.

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Ich wundere mich wirklich, dass niemand etwas merkte. Jedes Mal, wenn er mich ansah, hatte ich das Gefühl, Feuer zu fangen. Angeblich soll man „Feuer!“ anstatt „Hilfe!“ rufen, aber niemand rettet dich, wenn du in Flammen stehst. Du brennst ab und aus und jedes Mal aufs Neue.

Und über diese Liebe wird natürlich geschrieben. Es werden Filme gedreht. Lieder geschrieben. Alle jagen ihr hinterher, dem Ideal, der romantischen, leidenschaftlichen Liebe. Das Katz und Maus Spiel. Will er mich, will er mich nicht. Mag er mich, mag er andere mehr? Wen mag er alles?

Und genau das ist der Punkt: Es ist schön, all das in Liedern zu hören. Darüber zu lesen. Wir alle kennen das Gefühl, zu viele Gefühle zu haben. Aber das macht uns nicht glücklich.

Wir alle kennen das Gefühl, zu viele Gefühle zu haben.
Aber das macht uns nicht glücklich.

Wie soll uns ein Mensch glücklich machen, der mit uns spielt? Der gucken will, wie weit er gehen kann, bis man nicht mehr will? Der riskiert, so weit gehen zu können, dass man nicht mehr will? Der mal nett und mal böse ist, mal laut und mal leise und bei dem du dich, jeden Tag, wieder und wieder, selbst in Frage stellen musst.

Man sagt, es ist romantisch, um die Aufmerksamkeit und Liebe des anderen zu kämpfen. Doch wie traurig muss es sein, einen Menschen davon zu überzeugen, es wert zu sein, geliebt zu werden? Wieso verhalten wir uns so schmerzhaft lächerlich, dass wir wirklich denken, wir müssten beweisen, gut genug zu sein?

Der Gedanke daran, nicht zu wissen, ob ich heute wieder ein Lächeln oder die kühle Schulter kriege, macht mich kaputt. Ich ertrage es nicht mehr. Stundenlang vor dem Handy warten. Meine Bilder liken, aber nicht schreiben? Schreiben, aber auch mit anderen? Sich nicht trauen, hinzuschauen, es nicht wagen, wegzuschauen. Zu versuchen, Aufmerksamkeit zu bekommen, weil man nicht interessant genug ist, um Aufmerksamkeit zu bekommen. So viel Show um nichts. Und so viel Stille in dem ganzen Lärm. Und so viel Theater für ein Publikum, das gar nicht erschienen ist. Niemand schaut dir zu.

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Das ist zu schlecht, um wahr zu sein, und trotzdem wünschen wir uns genau das. Wir kriegen suggeriert, dass das gut ist. Dass nur das romantisch ist. Das muss so sein, das macht man so. Dass man sich so behandeln lassen muss – bis er dich will. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wahrscheinlich nicht. Langeweile-Wollen ist kein Wollen-Wollen. „Haha, egal, nehme ich eben die.“

Nein, das ist nicht egal. Das ist vernichtend und erniedrigend und vielleicht tut es so weh, dass wir uns nicht mehr trauen, endlich zu dem netten Typen dahinten zu gehen, der auf dich wartet, dich liebt, wirklich liebt, und der dich will. Und sich Mühe gibt. Und einfach mal nett ist. Fragt, wie es dir geht. Anstatt dir die Vorlage zu geben, damit es dir schlecht geht.

Das Schlimmste an der Sache ist: Alle Menschen sind alles für einen. Der, der die destruktive Liebe für dich ist, war mal jemand anderes „guter Mann“. Du bist vielleicht jetzt gerade die große Liebe für einen. Die gute. Oder die schlechte. Oder beide. Oder du bist es nicht. Aber du warst es sicher schon. Und damit müssen wir uns abfinden. Manchmal wollen uns Menschen nicht. Einfach so. Egal, was wir tun. Und egal, ob es passen könnte. Oder würde. Oder passt. Vielleicht ist Liebe eine Entscheidung.

Damit müssen wir uns abfinden: Manchmal wollen uns Menschen nicht. Einfach so. Egal, was wir tun.

Es ist okay, in jemanden verliebt zu sein, der einem nicht gut tut. Wenn man es in den Griff bekommt. Wenn man lernt, dass Aufopferung keine Liebe ist. Dass Selbstzerstörung nicht die Antwort auf Fragen ist, die wir uns nie stellen sollten. Dass 10 Minuten Nettigkeit nicht so viel wert sein dürfen wie drei Stunden Ignoranz. Dass ein „Ja, aber, vielleicht mag er mich do…“ keine Alternative ist. Dass du mehr verdient hast als Testfahrgelände eines Typen zu sein, dem langweilig ist. Du bist kein Spiel.

Seine Augen haben die Farbe von Honig im Glas, wenn man es gegen die Sonne hält. Septembersonne. Oder Oktober. Mir wird schlecht, wenn er lächelt. Nicht, weil ich ihn nicht mag. Doch weil ich ihn zu sehr mag für das, wie er mich mag. Wir mögen uns nicht gleich viel. Das ist okay. Das tut weh. Aber vielleicht geht das vorbei, wenn man sich nur entscheidet: Ich bin nicht mehr in dich verliebt.

 

Bilder: aletuzzi (Titel); Unsplash

 

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Written by Tara Wittwer

Tara ist Wahlberlinerin, Wahlantidiäterin, mag Pizza und Ponies. Sie schreibt gerne zu lange Texte über zu tiefe Gefühle, behauptet aber felsenfest, Vorzeigemisanthrop zu sein. Deswegen schreibt sie sonst auch gerne auf ihrem Fäschnbloooog über Stil und Co.

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